Dante - eine neue Datierung |
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![]() Berlin · 2007 |
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Wenn man (tausend Jahre und) etwa zwei Jahrhunderte dazuzählt, erhält man passable Daten für Ereignisse und Personen, die sich besser in die Zeit unserer Renaissance oder Reformation einfügen. Man käme damit von 1250 italienisch auf 1450 AD. Allerdings habe ich noch kein Schema gefunden, mit dessen Hilfe man einfach italienische in moderne Daten umrechnen kann. Es bleibt vorläufig noch ungewiß, wieviel man zuzählen muß, wenn Dante (bisher: Florenz 1265 - Ravenna 1321), Petrarca und Boccaccio an die richtige Stelle rücken sollen. |
Dante; Kreidezeichnung von Luca Signorelli (um 1500) |
Ein neuer Versuch soll hier gemacht werden. Dantes Tod mußte ich ins ausgehende 15., beginnende 16. Jahrhundert versetzen, denn alle Zeugnisse sprechen dafür: Sowohl der Inhalt seines Hauptwerkes "Göttliche Komödie", als auch die ihn darstellenden Skizzen und Büsten sowie auch die Beschreibung seines 'zweiten' Begräbnisses erzwingen die Annahme eines späten Dante um 1500. |
Die Beziehungen zwischen Dante und dem frühen 16. Jahrhundert sind zahlreich. Im "Inferno" beschreibt er die ungeheuren Pilgerströme und das viele Geld in Rom im Jubeljahr (heute auf '1300' gelegt), was wegen der seinerzeit fehlenden Bauten frühestens für 1450 oder 1500 zutreffen kann. Ein anderes Beispiel: Im ersten Höllengesang wird die Beinwunde hervorgehoben, die als Sinnbild der Sünde oder der Unwissenheit gilt; in einem dem Maler Hieronymus Bosch zugeschriebenen Bild ("Anbetung der Könige") ist die Wunde dargestellt und wird auf Luther bezogen, der jahrelang eine solche Wunde an seinem Schenkel für den Abfluß von Giften offenhielt.
Auffällig sind die gedichteten und die gemalten Bilder vom Jüngsten Gericht bei Dante und Bosch geistesgeschichtlich einander so ähnlich, daß sie zeitgleich sein müßten. |
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Dante, gemalt von Giotto (13. Jh) |
Die berühmten Bildnisse in Bronze und die Porträtskizzen, die italienische Künstler um 1500 von Dante schufen, zeigen den Dichter nicht idealisiert, sondern derart lebensnah und ausdrucksvoll, daß sie nach dem Leben geschaffen sein müssen. |
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Das Altersporträt Dantes von Luca Signorelli soll "um 1500" entstanden sein. Dantes Totenmaske wird heute als unecht angesehen, der Hauptgrund ist die späte Datierung. Dantes Grabmal in Marmor wurde 1483 zur Zweitbestattung gestaltet, wie es heißt, verfiel jedoch wieder und kam erst 1865 zum angeblich 600. Geburtstag zur Geltung, als man seine Gebeine in einem kleinen Holzkasten in einem Franziskanerkloster in Ravenna 'auffand'. Das alles ist absichtlich undurchsichtig. |
Dantes Totenmaske |
Ein Kenner, der sich in die damalige Zeit hineinversetzt, spürt die richtigen Zusammenhänge, wie etwa Gertrude von Schwarzenfeld: "Zu jener Zeit (1519) schrieb der Großkanzler und Danteschüler Gattinara ..."(S. 65) Man ist ja nicht Schüler eines Mannes, der seit zweihundert Jahren tot ist. Oder ihre Gegenüberstellung von Joachim von Fiore ("13. Jh."), Hildegard von Bingen (ebenfalls) und Dürers Holzschnitten zur Apokalypse (nach 1500): "Zeichen der Zeit, die ein Neues erwartete" (S. 70) Wenn es so etwas wie Zeichen der Zeit gibt, dann sind diese zeitgleich. Der Theologe Erasmus betete noch: "Heiliger Sokrates, bitte für uns!" (ebenda), während Ficino für Papst Leo (X) die Texte des Areopagiten (angeblich Zeitgenosse von Paulus) ins Lateinische übersetzte, vielleicht nachdem er den offensichtlich sufischen Text selbst in Griechisch verfaßt hatte? Nun las ich gerade in einem kurzen Text von Vladimir Ivanov (Moskau) im Anhang A an das bekannte Buch von Grishin und Melamed "The Medieval Empire of the Israelites" seine Enthüllungen bezüglich der Person des italienischen Dichters Dante, die sich mit meinen eigenen (zuletzt in "Kalendersprung" 2006, S. 248 ff) stellenweise decken, weshalb ich eine kritische Besprechung einiger seiner Punkte folgen lasse:
Hier wird der Planet Venus genannt und das Sternbild der Fische im Tierkreis.
Man deutet dies als Blick in Richtung Südpol, das Viergestirn als das Kreuz des Südens, und das erste Paar wären Adam und Eva.
Der Dichter sieht das südliche Kreuz am frühen Morgen mit Blickrichtung zum südlichen Himmelspol und bedauert, daß dieses schöne Bild auf der nördlichen Hälfte nicht zu sehen ist.
Da aber an jener Stelle kein auffälliges Sternbild zu sehen ist, schon gar nicht eins, das mit einem Feuer vergleichbar wäre, bleibt nur der Gedanke, daß der zur alten Kosmogonie gehörende "brennende Südpol" hier Dantes dichtenden Geist entzündete. Unwichtig wäre die Indentifizierung der Sterne in Dantes Epos, wenn nicht Ivanov daraus weitreichende Schlüsse gezogen hätte. Er versucht damit zu beweisen, daß Dante vor dem 16. Jh. nicht gelebt haben kann, indem er darauf hinweist, daß erst in den Himmelsatlanten von Hevelius und Houtman (beide unabhängig 1603) diese beiden Sternbilder verzeichnet sind. Aber es könnten ja Seefahrer auch vorher schon diese Sternbilder des Südhimmels gesehen haben, meint er. Ganz gewiß konnten sie das, auch ohne Sternatlanten. Zumindest die Araber fuhren schon länger in südliche Breiten. Ein so auffälliges Sternbild wie das Kreuz war sicher vielen Seeleuten bekannt. Sogar in Südägypten sieht man zeitweise das Kreuz des Südens. Abgesehen von der falschen Einordnung der drei Sterne ist somit auch Ivanovs andere Aussage über das Kreuz des Südens nicht stichhaltig.
Man kann diese rund 2500 Jahre als den Zeitabstand zwischen Dante und der Argonautenfahrt auffassen, was – wenn man Homer nach moderner Chronologie ins 8. Jh. v.Ztr. setzt und die Argonauten eher liegen müssen – etwa richtig sein dürfte. Das auffällige ist nun: Es stimmt nach moderner Chronologie, die einem Dichter des 14. Jh.s nicht bekannt sein konnte und ihn als Kind des 16. Jh.s ausweist. Ivanov hat das nicht gemerkt, aber ohne seine Argumentation zur Argo wäre mir dieser Vers nicht aufgefallen. (Die engl. Zitate aus Ivanov sind von mir übersetzt; Dantes Verse übersetzte Karl Streckfuß 1922) |
Literatur Dante Alighieri, Göttliche Komödie (übers. von Karl Streckfuß. Berlin 1922) |
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