„Karl, der Fiktive“ und der „fiktionale“ Bibelkönig David

Eine programmatische Zwischenbilanz

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Bern · 2009  Peter Winzeler winzeler

„Was glauben Sie denn, hat König David, so wie in der Bibel wörtlich beschrieben, überhaupt je gelebt ?“ Nach meinem Theologiestudium hätte ich diese Frage klar negativ beantwortet, etwa so, wie weiter unten als die akademische Lehrmeinung referiert. Vor allem Herodot hatte vom jüdischen Nationalhelden keinerlei Notiz genommen – und das wirre Zeugnis Manethos (ägypt. Priester im – 3.Jh) hatte David ans Ende der Hyksosära gesetzt und damit das jüdische „Plagiat“ bis in die Aufklärung  Voltaires diskreditiert.

Doch das Buch Esra (4:20) hatte an den „mächtigen Königen“ Jerusalems „jenseits des Euphrat“ (von Persien aus betrachtet) sowenig Zweifel wie andere Autoren der Antike, des Mittelalters und der Renaissance. Auch noch die Ausgräber des 19. und 20. Jahrhunderts gingen naiv von der Erwartung aus, dass entsprechende Funde und Befunde den radikalen Aufklärern rasch den Mund stopfen würden. Letztlich hat die kritische Bibelforschung es ihrer eigenen Gelehrsamkeit (fortgeschleppten fundamentalistischen und chronologischen Axiomen, wie auch national-rassistischen und  geografischen Vorurteilen) zu verdanken, dass sie im Heiligen Land nicht fündig werden konnte,  schliesslich den Wald vor lauter Bäumen nicht sah.

Den ersten Aufweis (anhand der Ausgräberberichte) lieferte Velikovsky, der die absolute biblische Langzeit-Chronologie beibehielt, deren vertikale Zeitachse er der ägyptologischen Datierung nach rein mathematischen Sothis-Zyklen überlegen erachtete – zu recht, sofern man ihre Herkunft und das heilszeitliche Strickmuster erkennt. Einen Durchbruch schafften erst die Epigonen, die sich an die relative Chronologie heran wagten, wo vielmehr die horizontalen Verknüpfungen der Zeiträume und geografischen Räume den Ausschlag geben (so auch bei Peter James).

Der Autor sprach darum von übergreifenden „Raumzeiten“ (wie der Mittelmeerkulturen, Europas und des Alten Orient) , die vertikal und horizontal gegliedert sind und logisch den Interdependenzen der  Relativitätstheorie unterliegen, zumal ein fixer Grundpunkt aller Zeitrechnungen vor und nach Christus – der archimedische Punkt – bisher nicht gefunden oder schlüssig nachgewiesen wurde. Solche Raumzeiten kann man wie geologische Magnetfelder betrachten (mit wechselnden Polen, Zentren und Peripherien) und es treten sofort Einsteinische „Krümmungen“ oder Sprünge der Zeitachse auf, sobald man den jungen oder ältern „König David“ nach konventionellen Daten in sie eintragen möchte. Das nährte den Zweifel an der Durchführbarkeit einer vorkritisch-gradlinigen absoluten Chronologie. Es treten sofort Sprünge der Zeitachse auf, sobald man den jungen oder ältern "König David" nach konventionellen Daten eintragen möchte

Zuweilen hat der Autor seine Arbeitsweise mit einem nächtlichen Autofahrer verglichen, der im (Geschichts-) Dunkeln nur sieht, was im Lichtkegel erscheint (die Strasse wäre der Zeitachse, der Lichtkegel mit den lesbaren Dokumenten zu vergleichen; was sich abseits  davon abspielt, sind dunkle Zeitränder, schwarze Löcher  und für den Beobachter nicht existent, es sei denn, dass nachrichtenlose Zeitlöcher indirekt erschlossen und erhellt werden können).

„Hat Karl, der Grosse je gelebt ?“ (s. Illig 1994, 31996). Schon mit seinem fulminanten Startschuss „Karl der Fiktive, genannt Karl der Grosse, als Herrscher zu gross, als Realität zu klein“, hat Heribert Illig anlässlich der Einweihung des neuen Rhein-Main-Donau-Kanals am 25.9.1992 eine gründliche „Entmystifizierung“ des abendländischen Heros des christlichen Europa und der heutigen EU vorgenommen (Mantis Verlag, Gräfelfing 1992). Für rund 300 Jahre der karolingischen Epoche fehlen schlicht die nötigen Bauten, Kulturzentren, romanischen Kirchen, gotischen Kuppeln (Oktogone), Schulen, Klöster, Bibliotheksbestände, ja selbst die zu erwartenden Pracht-Bibeln, die meist ottonischen oder noch jüngern Ursprungs sind.

Auch der Städtebau und die Kontinuität der jüdischen Besiedlung in Zentren wie Worms oder Mainz lässt zwischen dem 5./6. und 10./11. Jahrhundert sehr zu wünschen übrig, obgleich doch die Kaiserin Judith (Gattin Ludwigs, des Frommen) sich mit jüdischen Gelehrten oder des Hebräischen kundigen Bibelforschern umgab und obwohl die – seit dem Untergang des Römischen Reiches – vorherrschende Naturalwirtschaft und frauendominierte „Hauswirtschaft“ von nach Seife und anderen Luxuswaren begehrenden Hofdamen dringend  eines Geldes bedurft hätte, um mit jüdischen und arabischen Händlern (am Hofe Harun al-Raschids) in den kolonialen  Tauschhandel einzutreten (“kolonial“ aus Sicht des kulturell und wirtschaftlich weit überlegenen Orientes).

Hierzu haben sich Gelehrte wie Max Weber und Henry Pirenne geäussert, die den Kollaps der Geldwirtschaft bis auf Diokletian (300 nChr) zurückverfolgten, als wäre das fränkische Karolingerreich eine Art Spätzündung der hunnischen, skythischen oder gotischen Völkerwanderung gewesen. Auch Heribert Illig musste sich fragen (und fragen lassen), ob nicht etwa der Gotenherrscher von Ravenna - „Theoderich d. Gr.“ - als die evidenteste „Vorlage für Karl d. Gr.“ in Aachen diente (so der Aufsatz ZS 4/02  656-671).

Anderenseits hatte der Karlsmythus eine „utopische“, in die Zukunft des Neubaus Europas gerichtete Funktion. Zuhauf belegen auch noch spätmittelalterliche Fälschungen von Karls-Urkunden, die in den Klöstern auf Bestellung für jede beliebige Reichstadt, Schule oder Stiftung gerne ausgefertigt wurden, dass der eigentliche Karls-Boom ebenfalls mit einem Spätzünder einsetzte (im Zürich Zwinglis kaum vor dem 15. Jahrhundert).  Von diesem materiellen Befund her erschien es eher willkürlich oder überraschend, dass Illig die karolingische Phantomzeit auf mathematische 297 Kalenderjahre eines unterbrochenen Osterzyklus begrenzen wollte (s. „Wer hat an der Uhr gedreht? Wie 300 Jahre Geschichte erfunden wurden, Econ 1999; Ullstein 2003). Spätmittelalterliche Fälschungen von Karls-Urkunden belegen, daß der Karls-Boom mit einem Spätzünder einsetzte

„Oder sollte man gar 532 Jahre [eines ganzen Zyklus] streichen und den Abgang der Römer mit dem Aufgehen der Romanik verbinden ?" [Klammer PW] , hatte der Mitstreiter Gerhard Anwander auf Grund seiner Auvergnatischen Impressionen gefragt (ZS 3/2004,624). Indem das heuristische Axiom Illigs -  nach dem Ausruf des Archimedes: „Heureka, ich habe gefunden !“ – seine Nützlichkeit bewies und  nun von vielen Seiten bestätigt werden konnte (s. etwa Jan Beauforts „30 Fragen und Antworten“ http://lelarge.de/FAQ.html), hat in ZS die Ansicht sich dogmatisch durchgesetzt, dass das Kalenderjahr 614 der byzantinisch-arabischen Zeitrechnung  (7/8 Jahre vor der Hedschra ?) mit dem ottonischen Kirchendatum Anno Domini (A.D.)  911 gleichzusetzen sei. Alles „historisch“ vermeintlich dazwischen liegende Material von Daten, Personen und Ereignissen würden rein imaginären Charakter haben (freilich wird diese Ansicht beispielsweise vom ZS-Autor Klaus Weissgerber nicht geteilt, der auch sperrige Materialien kennt). Auch eine Verlangsamung oder ein zeitweiliger Stillstand der astronomischen Weltuhr (geschweige denn ein Rücklaufen) ist nicht vorgesehen.

Ein solcher chirurgischer Eingriff in die astronomisch fortlaufend gedachte Zeitachse – soweit er überhaupt möglich ist - hat Folgen, zum Teil auch unerwünschter Art.  Die Spät-Karolinger würden nun also direkt an die Früh-Merowinger des mit der Völkerwanderung eindringenden fränkischen Herrenadels anschliessen (ab 4.-6.Jh). Für die Kaiserin Judith (9.Jh.) würde sich Amala-Suintha als Original anbieten, die hochgebildete Tochter Theoderichs aus dem romanisierten (‘schwedischen‘) Amaleradel, die Mutter der „guten Bertha“ der helvetischen Sage (10./11. Jh), welche ihren burgundischen Welfenadel auf die Söhne Edukins1, des Kanzler Attilas, zurückführte und die diokletianische Provinz Sequanien erbte (Hochburgund, Transjuranien) - mit unabsehbaren Konsequenzen für alte Thüringer, Thurgauer, Sundgauer  und Tiguriner links und rechts der Limmat2, die alle von den Hunnen und Goten abstammen wollten.

Nach dem Zeitgraben sieht Gunnar Heinsohn in Carolus simplex – „Karl der Einfältige“ (898/911-923) - das historische Substrat sowohl des Carolus Magnus wie seiner Söhne („Ist er mit Carolus-Münzen und KRLS-Monogrammen lediglich ein nichtswürdiger Imitator Großkarls oder liefert er das Urmuster für den Überimperator und die restlichen frühmittelalterlichen Karls-Kaiser? s. http://www.lelarge.de/simplex.html). Sonst müssten wir annehmen, dass eine Vielfalt geschichtsmächtiger Personen der geschichtsträchtigen Konstruktion des ‘Übervaters‘ zu Gevatter standen – vom mythischen „König Etzel“ (Attila) und „Dietrich von Bern“ (Theoderich) bis zum Hausmeier Pippin (der lateinisch auch als P.P., gallorömischer Pater Patriae oder „Papa“ des Kirchenstaates gelesen werden könnte) - nämlich in der Absicht, diesen als autochtonen (nicht importierten) Germanenkaiser von Roms Gnaden zu erweisen.

Im Ergebnis haben wir einen autochton völlig fundlosen Kaiser vor uns, der im Niemandsland des millenarisch gewerteten Jubiläumsjahres A.D. 800 gekrönt wird (da die Geburtszeit Christi noch nicht feststand, kann auch ein christianisiertes römisches Millenium gemeint sein), dessen literarische Gestalt über mehrere Jahrhunderte aus sowohl vorgängigen Ereignissen wirklicher Geschichte wie aus nachträglich ausgeschmückten Phantasien zusammen gewachsen wäre. Ich halte diese Suche der Nadel im Heuhaufen nicht für aussichtslos, sofern die Germanen-Kaiser Roms (seit dem Imperator „Germanicus“ und seinen Söhnen) nicht von den italischen und orientalischen Gegenspielern abgelöst werden.

Von hierher lassen sich mehrere verblüffende Parallelen zur mythischen Gestalt des Königs David ziehen, dessen ex post fingiertes Gesamtreich – wie Eduard Meyer in seiner Geschichte des Altertums vorsah – in einem von vorneherein phantomzeitlichen „Vakuum“ der Weltgeschichte Platz finden sollte: nach Ende der ägyptischen Weltmacht der Ramessiden (-1150), vor Anbruch der assyrischen Weltherrschaft (ab 850 bzw. 750 v.Chr.) und der ungläubigen Welt so verborgen, dass weder die Nachbarn , noch allfällige Vasallen von diesem Gesamtherrscher jemals Notiz nahmen (oder nehmen konnten). Schon diese Disposition lässt einen manifesten christlichen Antijudaismus erkennen: jüdische Herrscher in ihrer „Knechtsgestalt“ dürfen nicht in der obersten Weltliga mitspielen! Hinsichtlich der archäologischen Grundlage sieht es mit David keinen Deut besser aus als mit 'Karl, dem Fiktiven'

Hinsichtlich der archäologischen und schriftkulturellen Grundlage sieht es – gemäss Finkelstein/Silberman - keinen Deut besser aus als mit „Karl, dem Fiktiven“. Das historische Substrat des Idealherrschers liesse sich bestenfalls im Rebellenführer Dadua der Amarnazeit erkennen (300 Jahre vor dem Königtum Davids), weitere Feldzüge, Gewänder oder Kronen von bekannten Fremdherrschern  in Israel würden ihm 300 Jahre nach seinem Ableben angeheftet (nach dem Vorbild Salmanassars). Die entscheidende literarische Prägung des Davidsromanes – nun durch Grossreich-hethitische Vorlagen - aber erfolgte in der Welt Nebukadnezars und des Babylonischen Exils (500 Jahre nach dem Mord am „Hethiter Uria“) und erst in der Demütigung durch die Perserherrschaft hätten David und Salomo nun auch die „aufrührerische“ Chaldäerprovinz Transeufrats befehligen dürfen. Den letzten Schliff erhielte der „Davidsroman“ schliesslich in hellenistischer Zeit , wo er als unmittelbare Vorlage oder Auswuchs des „Alexanderromans“ gesehen werden könnte, bis endlich Julius Caesar sein Erbe antritt: des illustren „David der römischen Geschichte“ (wie Ethelbert Stauffer in seiner Münzen-geschichtlichen Pionierleistung „Christus und die Caesaren“ sah).

Diese Wirkungsgeschichte des Davidsmythus ist beeindruckend, aber ist sein allmähliches Wachstum auf den Tatsachen gegründet ? Es gab etliche bizarre Versuche, die Priorität der realen Eroberungen Caesars in Gallien vor den rein ‘literarischen‘ Feldzügen Davids im „Galil der Heiden“ (Galiläa, Galatien) nachzuweisen. In Blick auf die spärlichen Handschriften des Mittelalters wurde die historische Existenz Caesars auch damit bewiesen, dass er zur Gottheit der Antike geworden und in die Christusmythe  (des Apostels Paulus) oder in das Markusevangelium „auferstanden“ sei – während der „historische Jesus“ das Nachsehen haben müsse. Hätte also auch Jesus nie gelebt ? 

In der Tat hatten Albert Schweitzer und Rudolf Bultmann – zwei Giganten  zu Beginn des 20. Jahrhunderts -  die sämtlichen Lebensbilder des „historischen Jesus“ aus dem 18. und 19. Jh. als haltlos widerlegt3 – aber nicht, um seine jüdische Existenz auszuradieren, die durch die Qumranrollenfunde  (ab 1948) viel gründlicher erforscht und belegt werden konnte.  Wer also die julianisch –christliche Zeitrechung revidieren will, möge sich nicht allzu fröhlich auf die Fundlosigkeit Jesu stützen – er könnte auch den Caesarenkult zu Grabe tragen, der uns die neuen Schaltmonate „Juli/us und August/us“ bescheerte.

In seinem diesbezüglichen ironischen Aachener Vortrag im Jahre 2000 („Verfasste denn Julius Caesar die Mescha-Stele ?“  ZS 12 2/2000) hat der Autor implizit (seither auch explizit) die These vertreten, dass es viel leichter ist, Julius Caesar auf der okzidentalen Geschichtsachse zu eliminieren als dem orientalisch und keilschriftlich verbürgten Vorläufer die Existenz zu rauben – auch wenn die Rehabilitierung der realen Davidsgeschichte in Israel einer dramatischen, stratigrafisch bedingten Chronologieverkürzung bedarf (s. die Beiträge auf dieser Website).

Der Autor wollte und will nicht die Komplikationen verschweigen, die eine solche Korrektur im Gefüge des akademischen Lehrgebäudes mit sich brächte. Die für die Vasallen Davids am Euphrat benötigten Mitanni- und Hethiter-Fundschichten werden von den Gelehrten als prachtvolle „Mittelbronze“-Straten bezeichnet (ca. 2000-1550), die unter Spätbronze- oder Eisenzeitstraten liegen, aber erst in späthethitischen Kleinstaaten  (ab -880)  ein typisch salomonisches Gepräge fänden. Die Spätbronze-Bastionen des ägyptisch beherrschten Kanaan (ca. 1550-1200) dürften mit den hethitischen wiederum nicht parallel geschaltet werden, geschweige denn mit Eisenzeit-Zitadellen (ab -750) der assyrischen, kimmerischen, skythischen, medischen und persischen Eroberungen (von denen meist keine eigenen Tempel und Paläste erhalten blieben).

In diesem Fall hat Gunnar Heinsohn solenn ‘reinen Tisch‘ gemacht, indem er aus den heterogenen Befunden vier konsistente Gruppen von vorhellenistischen  Fundschichten bildete, die entsprechend den aufgezeichneten Ereignissen stimmig und lückenlos aufeinander folgen (z.B. ein mitannisch=medischer Mittelbronzepalast nebst einem ägyptisch=israelitisch benutzten Spätbronze-Tempel in einer spätassyrisch=perserzeitlich eroberten Eisenzeitzitadelle wie Lachis). Auf einen Schlag wurden damit rund 1000 Jahre der millenarischen Zeitrechnung obsolet, die den Amarna-David (-1350) von seinen spätern (-550) und jüngsten Gewändern der Griechenära (-350) trennen müssten, natürlich unter dem Vorbehalt der näheren Feinabstimmungen, die auch eine stimmige Biografie und Umwelt ergeben sollten.

Selbstzeugnisse und Fremdzeugnisse geschichtlicher Personen stimmen nie vollständig überein. Niemand kann ausschliessen, dass auch jüdische Autoren sich der Davidsüberlieferung nur zum Zwecke bedienten, um etwa Kritik an gegenwärtigen Fremdherrschern zu üben, die ähnliche Verbrechen begingen – oder um in der Unterdrückung eine messianische Utopie des befreiten Israels offen zu halten. Solche Motive lassen sich auch bei kritischen Archäologen wie Finkelstein nicht ausschliessen, der die zionistische Vergangenheit des Gross-Israel vielleicht bewusst destruiert, wenn heutige Grossmachtallüren sich über jedes Völkerrecht hinweg setzen. Dann wäre seine archäologische Bibelkritik als (verhüllte) ehrenswerte Gegenwartskritik aufzufassen – freilich ohne den Spiegel des alten Davidsreiches zu nutzen, den damalige Juden aus Erfahrung für bitter nötig hielten.

Jedenfalls ist über die Geschichtswirklichkeit der erinnerten Davidsgestalt nicht abseits von der bereinigten Stratigraphie Jerusalems zu urteilen (s. das Schema Heinsohns und weiterführende Links in englischer Sprache). Es fragt sich nur, ob eine vergleichbare Korrektur nicht ebenso im dunkeln Mittelalter anzusetzen sei, dort, wo es viel schwieriger hält, konsistente Gruppen von  Bauschichten, Denkmälern und erzählten Geschichten zu bilden (z.B. von römischen Städten mit keltischem Oppidum, die, von Goten und Burgundern erobert, endlich fränkisch-„karolingisch“ verwaltet würden).

In Christoph Pfisters Betrachtungen  „Zur langen Baugeschichte des Mittelalters“ (ZS 1/99) wurde ein kühner Versuch der Synthese gewagt, noch bevor er den realen Erkenntnisgewinn unter einem Berg von fomenkoistischen Sprachspekulationen begrub. Aber was in der Antike infolge mühsamer Lernprozesse gelingt, kann auch im Mittelalter noch erlernt werden, bis die Vereinheitlichung der Raumzeiten/en deutlichere Konturen gewinnt. Erst auf Grund solcher empirisch gestützten Bindeglieder könnten auch die divergente jüdische (-arabische) und christliche Zeitrechnung von ihren Disharmonien befreit werden.

Nicht zuletzt würde dem asymmetrisch-symmetrischen Weltlauf seit Zwinglis Schrift über die „Vorsehung“  gewehrt, wonach der Untergang des Orientes und der jüdischen Welt (regressiv 1500-1200 – 500/300  vChr) sich doktrinär im Aufstieg des christlichen Okzidentes (progressiv 300/500 – 1200-1500 nChr) theologisch wieder spiegeln müsse (unter Androhung sich wiederholender Sintfluten oder Gerichtskatastrophen !). Wer wüsste denn, ob Zwinglis Dogma der Zeitenwende als eines ein-für-alle-Mal grundstürzenden Ereignisses (vom Himmel her) nicht das grössere Recht auf seiner Seite hatte als dessen moderne Plättung und phantasielose Einebnung in eine ununterbrochene und mechanisch fortlaufende Zeitachse, die – auch im Urteil des Theologen Karl Barth - letztlich nur ein Chaos von gespenstischer Historie erzeugt (vgl. ZS 3/2008, 652-59).

Fußnoten

1. Die skirische Gattin Edukins (Edekons) erscheint als die Mutter des Hunwolf (Welpo, Grafen Welf) wie des Bruders Odoaker in Italien (Otho, Otto-Kar/l), worauf die ganzen Erbstreitigkeiten von Welfen (Guelfen), Ottonen und Staufen (Gibellinen, „Waiblinger“) zurückgehen, in welcher buchstäblich die Weiber über die Legitimität der „erkürten“ Prinzen und Kaiser bestimmen (von gebl = erküren, ehelichen) s.Wikipedia. Zurück zum Text

2. „Der Rhein ist jetzt unser Limes !“ (gegen die Schwaben und Germanen), argumentierte Zwingli, als Kelten und Römer, Burgunder und Alemannen sich in der Limmat-Stadt  nicht mehr in getrennten Schanzen und Festungen gegenüber lagen. Diese typische Doppelexistenz von Turicum und Tigurum (mit Gross- und Klein-Basel am Rhein zu vergleichen), ist beim humanistischen Zeitgenossen Aegidius (Gilg) Tschudi noch klar ersichtlich, im nachgelassenen „Haupt-Schlüssel zu verschiedenen Alterthumen oder gründliche, theils Historische, teils Topografische Beschreibung“ (1562); hg. Johann Jacob Gallati, Konstanz 1758. Im chronologischen Appendix wird das moderne Datum von Ninos (Beli-Sar) und Abraham  berichtigend eingefügt,  auf die Tschudi sich doch „unmöglich“ als Gründervätern von Trier (!) und des „alten Turms“ von Solothurn habe berufen können. Hierzu ist ein Sonderbeitrag vorgesehen. Zurück zum Text

3. Auf diese halbe „Wahrheit“ hat Franceso Carotta sich berufen (War Jesus Caesar ? 1999), der Albert Schweitzers brillanten geschichtlichen Existenzbeweis für den apokalyptischen Tempeljuden Jesus unterschlug. Rudolf Bultmann meinte nur, der in seinem „jüdischen Fleisch“ (in der Hasmonäerzeit) gekreuzigte Thoralehrer gehe die paulinische Christenheit nichts mehr an (2.Korintherbrief 3,16). Ob von daher auch ein antijüdisch „gefälschter Paulus“ des 18./19. Jhs vorliege (Albert Schweizer), des 15./16. Jhs (s. Beiträge Uwe Toppers)  oder schon des 2./3. Jhs (marcionitisch: Herrmann Detering u.a.) bedarf der weiteren Diskussion, zumal im England Cromwells (16./17.Jh) eine philosemitische Auslegung des erlösten 12-Stämmevolkes Israel herrschte (Römerbrief Kap. 11), bevor die „holländische Radikalkritik“ an Boden gewann. Zurück zum Text

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