Zeitensprünge (ZS) - Die RezensionHefte 2013/1 bis 2014/3

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Berlin · 2015 Uwe Topper topper

Zeitensprünge 3/2014

Selektive Besprechung durch Uwe Topper (Febr. 2015)

Wieder ein voller Band mit 255 Seiten, davon mehr als die Hälfte aus Illigs spitzer Feder. Ich bespreche nur einige Aufsätze, die mir besonders aufgefallen sind; die Auswahl ist subjektiv.
Als erstes las ich den Nachruf auf Günter Lüling, versteht sich. Auch wenn wir uns nicht oft gesehen haben – es sind doch zwanzig Jahre, die wir nebeneinander lebten und Anteil nahmen am Schicksal des anderen.
In diesen vier Seiten hat Illig dem bedeutenden Gelehrten ein feines Denkmal gesetzt, wofür wir ihm alle dankbar sind. „Lüling tat das, was ein seinem Ethos verpflicheter Wissenschaftler tun kann,“ sagt Illig: „die Wurzeln bloßlegen, die geschichtlichen Veränderungen und Entstellungen aufdecken, den Finger in Wunden legen und mahnen.“
Von 1995 bis zu diesem Jahr erschienen zehn Beiträge von Lüling in den Zeitensprüngen, einige Texte kann man nur dort lesen.

Ein Blitzlicht des neuen Heftes ist Illigs Bericht über den Streit um die Urkunde der Erstnennung von Überlingen vor 1250 Jahren (S. 561-566), den Birgit Liesching ausgelöst hat. Wenn das sperrige Verhalten von Borgolte und Kollegen das landesübliche wäre, sähe es schlimm aus in unserer akademischen Landschaft. Hoffen wir, daß eine Jugend heranwächst, die derlei Mätzchen überflüssig findet und mit gutem Gewissen offene Forschung betreibt. Bei den Kapriolen, die Illig den Akademikern ankreidet, fühlte ich mich an die Absurditäten erinnert, die Velikovsky ausstehen mußte und über die er selbst in sarkastischer Weise schrieb.

Dann hat mich der Artikel von Wolfgang Zöllner über Korea interessiert, denn so weit wir uns auch je vorwagten in unbekanntes Gelände, Korea kannte keiner von uns. Eigentlich verwunderlich, denn Bücher von mir wurden in Korea gedruckt und gelesen. Man ist dort wach und nimmt teil an den kritischen Gedanken.
Der Aufsatz „Was geschah während der Phantomzeit in Korea?“ (S. 597-626) stammt von jemandem, neu in diesem Kreis, der selbst sagt, daß er wenig Koreanisch versteht und klassisches Chinesisch gar nicht. So ist dies nur ein erster Einblick in ein fernes Gebiet, der dennoch einige Erkenntnisse bringt. Immer wieder kommt nämlich auch dort die seltsame, unerklärliche Aussage vor, daß die bekannte Chronologie Lücken hat, nicht stimmt, versetzt läuft. Warum auch dort, wenn das Land nie erobert wurde und seine Kultur bewahren konnte?
Die koreanische Buchstabenschrift wurde 1443 eingeführt (S. 599), im selben Jahr, als Papst Eugen IV die erste Päpsteliste entwarf und Ulugh Beg die Länge des tropischen Jahres neu maß. Das halte ich für typische Zeichen eines Neuanfangs nach der Kastarophe. Was davor über Korea bekannt ist, liegt schriftlich nur in Chinesisch vor, und wie es mit Chinas chronologischer Verläßlichkeit bestellt ist, wurde in dieser Zeitschrift auch früher schon diskutiert (S. 606, z.B. ZS 2/1998). Der wichtigste Zeuge ist Ilyeong, der nach einer chinesischen Ausgabe von 1512 zitiert wird (S. 599). Darin kommen mehrfach Brüche vor, die der Chronist selbst bemerkte: Da an einer Stelle 170 Jahre falsch kalkuliert sind, „handelt es sich um einen Fehler in der Chronologie.“ Ein andermal trifft ein Abt einen Mönch „300 Jahre zu spät.“ usw., wir kennen das aus unseren mittelalterlichen Chroniken, die recht sorglos fabuliert sind. Daß der koreanische Chronist das in seiner eigenen Schrift selbst anmerkt, läßt auf späte Abfassung in der Neuzeit schließen.
Der ordentlich geschriebene Versuch von Zöllner, hier erstes Licht anzuzünden, soll nicht geschmälert werden mit der Rüge, daß auch er einmal aus wiki zitiert (S. 610). Ich will es nur grundsätzlich ankreiden: In wiki kann jeder schreiben was er will, solange es politisch korrekt ist. Mit Wissenschaft hat wiki nichts zu tun. Man könnte die website nur dahingehend auswerten, daß man der Quelle einer wiki-Aussage nachgeht, sie prüft und dann diese zitiert.

Spannend wie ein Krimi ist Illigs Bericht von den Goldfunden, besonders denen von Bernstorf (S. 631-644). Nachdem Ernst Pernicka die Echtheit dieser Funde in Zweifel gezogen hatte, unterstützte ihn darin Harald Meller, der für die Nebra-Scheibe zuständig ist und deren Echtheit er heftig verteidigt. Das erfordert möglicherweise Zweifel an anderen Objekten, hier also an Bernstorf gegen Nebra. Ein weiterer Kollege mit 35 Jahren Erfahrung als Archäologe, Stefan Winghart, erkannte „von Anfang an“ beim Bernstorfer Gold auf Fälschung.
Bezüglich der Nebra-Scheibe macht Illig eine interessante Bemerkung in Klammern: „Die Himmelsscheibe von Nebra stammt übrigens aus Hehler- und Raubgräberhänden, die auch für die Fundsituation bürgen.“ Sehr richtig, aber nicht „auch“ sondern die als einzige für die Fundlage bürgen. Und weiter: „Das Alter wurde mittels C14 aus 0,6 mg Kohlenstoff auf –1580 +-20 Jahre bestimmt; es stammte von Birkenrinde, die nicht der Scheibe, sondern einem als zweifelsfrei erachteten Beifund anhaftete (wiki).“ Wer diesen Satz in wiki setzte, war sich der Ironie sicher bewußt, denn daß die Hehler Beifunde (Bronze-Schwerter) zur Scheibe fügten, um diese als echt erscheinen zu lassen, ist allgemein bekannt.
Illig schließt scherzhaft mit der Wiedergabe eines Antrags eines Gemeinderats von Bernstorf, das kürzlich dort errichtete Museum schließen zu lassen, denn es werde dort eine Geschichte dargestellt, „die es so vermutlich nie gegeben habe.“ Was pauschal auch auf andere Museen, Bücher und Medien zutreffen dürfte, befindet Illig und erinnert an den C14-Lehrstuhl à la Protsch von Zieten. Nun denn, volle Kraft voraus!
Nachtrag: Dieser Artikel von Illig ist jetzt auf go Chronologie-Rekonstruktion zu lesen.

Schon in Zöllners Artikel hatte ich einen Hinweis auf Manfred Zeller erwartet, der den zentralasiatischen Raum bearbeitet hatte und (wie Zöllner) die Schlacht von Talas zum Märchen erklärte. Hier liefert Zeller (nach langer Pause) eine Besprechung des Buches von Herbert Gabriel von 2014 (S. 645-661), das eine ungewöhnliche Neuordnung der Geschichte des Altertums entwirft, der ich allerdings nichts abgewinnen kann. Die Velikovsky-Nachfolge Gabriels wird dabei herausgestellt. Zeller findet letztlich „viele Anregungen, die weiter zu verfolgen sind.“

Seit 2011 gibt es in den Zeitensprüngen vier Beiträge von Mathias Dumbs aus Freiburg zur spätrömischen Geschichte, die von seinem umfangreichen Wissen auf diesem Gebiet zeugen. Schon in seinem ersten Beitrag über Konstantin d.Gr. (3/2011, S. 581-610) stellte er Widersprüche heraus, die eine Untersuchung dieser Idealfigur und ihrer vermeintlichen Zeit erzwingen. Der Konstantinsbogen ist zwar „prächtig gearbeitet“, aber auch „aus Spolien zusammengesetzt, die aus verschiedenen antiken Bauwerken stammen und teils notdürftig überarbeitet worden sind.“ (S.592) Und in der Zusammenfassung (S. 602): „Nimmt man all diese Indizien zusammen, so spricht mehr für eine Datierung des Bogens in die Renaissance als in das 4. Jh.“ Er ist vermutlich ein Auftragswerk von Papst Paul III, vielleicht durch Michelangelo ausgeführt, jedenfalls „ein Imitat der Antike aus der Zeit der Renaissance“. Wie wahrscheinlich viele andere erhaltene Bauten in Rom.
Dabei werden auch Eusebs Kirchengeschichte und dessen Fragment einer Biographie Konstantins als Renaissance-Arbeit entblößt, einem „gänzlich unantiken Geist“ entsprungen (S. 605), wie ja auch die Schenkung des Vatikanischen Staates durch Konstantin (S. 606) ins 15. Jh. gehört. Nach weiteren drei beachtenswerten Aufsätzen zu dieser Thematik im Jahr 2012 folgt nun in diesem Heft:
„Neudatierungen beim Römischen Reich des 3. und 4. Jahrhunderts.“ (S. 701-730).
Gegen Illig, der diesen Zeitraum (meines Wissens) nicht in Frage stellte, und gegen Heinsohn, der ihn seit 2012 weitläufig streicht, entwickelt Dumbs konkrete Vorschläge zu einer Kürzung, möchte aber doch Teile davon stehenlassen. Das scheint mir nicht ausreichend, eine Versetzung in die Nähe der Renaissance halte ich für nötig. Dabei geben einige Hinweise Dumbs Anlaß, die Zeitstellung noch strenger in Zweifel zu ziehen, als er es tut:
Er spricht von „Leerzeiten bei Ziegelstempeln“ und „Juristische(n) Fehlzeiten“ (beides S. 706), die die Unzuverlässigkeit der Jahreszahlen ahnen lassen. Damit wird allerdings manchem Korrekturversuch der Boden entzogen. Die Übersetzung der Inschrift zur Aurelianischen Mauer (S. 709) enthält einen klaren Hinweis auf eine Katastrophe, denn es wurden „mit fortgeschafften riesigen Schuttmengen“ die Mauern, Tore und Türme Roms wiedererrichtet. Hat hier ein maßloses Erdbeben gewütet? Mindestens eins, denke ich, denn barbarische Horden wie die Goten und ihre Verwandten schaffen das nicht (sie würden die Türme lieber besetzen). Wiederum wird auch Konstantin als Kunstfigur gezeigt, der in seiner „neuen Hauptstadt“ am Bosporus rein gar nichts an Bauwerken hinterließ.
Zur Neuordnung sieht Dumbs nach dem „deutlichen Einbruch nach Diokletian“ eine „langsame Erholung unter Theodosius I und seinen Nachfolgern“ (S.724). Hier müßte man, wenn man eine Lücke sucht, in der herkömmlichen Geschichtsschreibung die Katastrophe verorten, denn alles spätere, vor allem in Byzanz, unterscheide sich „von der vorherigen Kultur durch ihren Charakter als Spolienarchitektur – sogar in der Hagia Sophia – oder als Kompilation alter römischer Rechtsquellen in den Digesten Justinians.“
Verwendung von Trümmerstücken in Bauten und Schriftbruchstücken im Gesetzkodex zum Aufbau einer neuen Blüte – das dürfte nicht auf Barbareneinfälle zurückzuführen sein, es gleicht dem an vielen Orten festgestellten Neuanfang nach einer großräumigen Auslöschung. Soweit will Dumbs nicht gehen, legt aber mit seiner sorgfältigen Untersuchung dennoch Grundlagen für eine neue Sicht auf das Ende der Antike.

Wer den Sumpf der aktuellen Akademikerszene riechen möchte, lese Illigs detaillierten Bericht (S. 746-749) über zwei Doktorat-Plagiateure, Schavan und Guttenberg. Illig begutachtet keineswegs die Promotions-Arbeiten selbst sondern nur das Gerangel in der Politik. Das ist schon aufregend genug, wenn nicht der Leidtragende dabei auch noch erwähnt würde: unser Universitätsbetrieb.

Unter „Diverses“ (S. 754757) sind Nachrichtenschnipsel zu finden, die jeder Chronologiekritiker mit hämischem Grinsen quittieren wird:
Steine wandern bei starkem Wind weit über Land, wenn der Boden mit einer Eisschicht überzogen ist – also brauchen wir die Flutwelle nicht mehr, die das schulgetreue Eiszeitszenario ersetzt hatte.
„Tore zur Unterwelt“ gibt es nicht nur in Bayern, Kärnten, Iberien und Anatolien sondern auch in Teotihuacán in Mexico. Scheint menschlich zu sein...
...und die älteste Koranhandschrift liegt in Tübingen, wenige Jahrzehnte nach dem Tod des Propheten geschrieben, wenn man C14 glauben könnte. Die Paläographen gucken dabei in die Isotopen-Röhre.
Das wär’s mal wieder.
Meine Besprechung ist selektiv aus Zeitmangel, sie übergeht einige Artikel, die durchaus lesenswert sind, wie etwa der von Zsolt Németh über die mittelalterlichen Funde in Ungarn. Für Neugierige bleibt noch Spielraum zum Entdecken in diesen Zeitensprüngen.

Zeitensprünge 2/2014

Kurze Besprechung einiger Beiträge im neuen Heft der Zeitensprünge 2/2014

Es wird niemanden überraschen, wenn auch dieses Heft hauptsächlich um Karl den Großen kreist. Der fabelhafte Kaiser und König ist nicht nur das Faszinationsobjekt Heribert Illigs, sondern auch sein Mephisto, den zu umzingeln und abzumurksen er nie müde wird. Ansonsten gibt es auch noch reichlich Lesestoff wie nirgends sonst.

„Frühes Christentum in Rom“ (S. 378-406) läßt einige Fragen offen, so gut der Artikel auch recherchiert ist: Wie entstehen die riesigen Schutthalden, „enorme Schuttmassen“, unter denen das antike Rom liegt? Das wurde schon von einem Frontinus um 100 u.Ztr. geklärt: „Die jetzigen Hügel sind wegen der Häufigkeit von Bränden infolge des Schutts angewachsen.“ Unvorstellbar. „So braucht es nicht zu verwundern,“ sagt Illig (S. 380), wenn ‚die mächtige Schicht aus Schutt und übereinandergelagerten Bauwerken (...) an einigen Stellen über 20 m dick ist.‘“ Auch 26 m werden genannt (die Höhe eine 8-stöckigen Wohnhauses), 15 – 20 m scheint normal zu sein, „selbst auf dem Palatin sind in 8 m Tiefe Gebäude entdeckt worden.“ Soweit das Erstaunen. Aber eine sinnvolle Erklärung finde ich nicht. Es sei denn, ich ziehe die große Katastrophe heran, die an der Levante genauso wie an anderen Orten die Städte unter vergleichbar hohen Massen von Lehm und Trümmern begrub. Wenn Frontinus das schon erklären will, lebte er nach einer solchen Katastrophe, wohl eher in der Renaissance.
Der Krönungsmantel von Karl d.Gr. („800 AD“) wird (vor 1968) als byzantinische Arbeit des 10. Jh. erkannt, 1988 ins 14. Jh. verschoben. Das übliche Gerangel ohne Grundlagen. Wenn wir doch endlich eine naturwissenschaftliche Methode hätten, die das Alter menschlicher Erzeugnisse wie Stoff bestimmen könnte, dann wären diese Mutmaßungen überflüssig! Dann würden einige Museen wohl auch kostbare Gemälde in die Keller bringen müssen, und das wäre schade.
Und noch eine Verwunderung (S. 390): Der Petersdom ist wie zahlreiche alte Kirchen Roms nicht geostet, sondern gewestet, parallel zum einstigen Circus vom Tiber weg zur Abendsonne gerichtet. Illig zählt weitere vier bekannte Kirchen Roms auf, eine irritierende „Auffälligkeit, die vielleicht erklärt, dass die Dome nördlich der Alpen um 1000 noch mit zwei Apsiden nach Ost und West gebaut wurden, um erst danach eindeutig geostet werden.“ Über die gedrehten Kirchen in Europa, von Portugal bis Brandenburg, hatte ich mich auch schon gewundert und darüber berichtet.
Unter der Zwischenüberschrift „Zusammenfassung“ (S. 397) handelt Illig ein sehr schwieriges Thema ab: die Liste der Konsuln, die in mehrfacher Gestalt für 1050 Jahre vorliegen soll. Er unterstützt deren Brauchbarkeit und Echtheit, wenngleich nicht einmal „für die frühe republikanische Zeit Sicherheit gegeben wäre.“ Aber Ziegelmarken, Münzen und Regionalkataloge gelten ihm als nützliche Belege für die Konsullisten der Kaiserzeit.
Eine entsprechende Päpsteliste wird ab 235 AD (frühestens) anerkannt als „wenigstens scheinbar tragfähiges Fundament.“ Ganz klar ist Illigs Ausdrucksweise hier nicht, „Im Vergleich etwa zur karolingischen Zeit bewegen wir uns hier auf weitaus sichererem Boden.“ Das ist schwammig gesagt, denn wodurch sollten gegenüber den 297 völlig erfundenen Jahren die 1050 rekonstruierten Jahre davor gesicherter sein? Jahre, die 365,25 Tage haben und ohne Lücken mit Personen angefüllt sind? Hier kann ich nicht folgen.

Volker Heinitz stellt die Frage: „Sind Flutschicht-Ablagerung in Flüssen Mesopotamiens Indikatoren für kosmische Katastrophen?“ (S.486-493) Die stellenweise 3 m hohe und weitgehend sterile Lemschicht im Zweistromland, über der dort die „menschliche Hochkultur“ erst beginnt, müßte auch in Europa vorhanden sein, wenn es sich um eine weltweite Katastrophe gehandelt haben soll. Tatsächlich, schon Günter Smolla nennt 1954 die bis zu 3 m mächtigen Geröll- und Lehmmassen, über denen dann die Hallstattkultur liegt, wie Menting 2002 zitiert. Smolla datiert die dafür verantwortlichen einzigartigen Unwetterkatastrophen an den vorher chronologisch schon festgelegten Funden über und unter der Schicht zwischen 800 und 750 v.Chr.
Diese Datierung würde nun keineswegs zu den Lehrbuchdaten Mesopotamiens und auch nicht zu Heinsohns revidierter Chronologie passen, stellt Heinitz fest. Auch die im Raum Gera festgestellten archäologischen Funde, die ökologische Bruchstellen erkennen lassen – Ausschwemmung der Ackerböden an der Weißen Elster, Niederbrennen von bronzezeitlichen Ansiedlungen – fügen sich nicht in den chronologischen Rahmen an Euphrat und Tigris. Günter Lüling, der sich auf Spanuth und Stender bezieht, hat wieder eine andere Datierung bevorzugt, nämlich –1150. Am Schluß verneint Heinitz seine im Titel gestellte Frage und schließt: „Eine Synchronisation mit mesopotamischen Flutschichten der vor- und frühdynastischen Zeit erscheint nicht gegeben.“ Zirkelschluß? Mehrfach sogar, denn wenn Datierungen als brüchig erwiesen werden – Heinitz beruft sich zweifach auf Heinsohn – dann kann man nicht erwarten, daß sie am Ende wieder stimmen.

Den anderen Aufsatz von Heinitz „Frühes Zinn und kobaltblaues Glas“ (S. 471-485) muß ein Fachmann kritisieren. Eins der Ergebnisse lautet: „Bisherige Analysen der Glashauptbestandteile widerlegen die Ansichten von John Dayton hinsichtlich der Herkunft des kobaltblauen Glases.“ Das ist künftig zu beachten, denn auf Daytons kenntnisreiche Arbeit (von 1978) hatte ich mich verlassen (Topper, horra 2003, S. 268).

Heribert Illigs Glosse zum Ötzi (S. 494-501) ist ergötzlich und stimmt nachdenklich. Als Fälschung wurde die Gletscherleiche schon 1993 durch Heim und Nosko (Rowohlt Verlag) angeprangert. Skandalös finde ich „Heims Einschätzung von Passus 18 des Vertrags, den Wissenschaftler in Innsbruck unterschreiben mussten und der drohte: Wer mit einem Forschungsergebnis Ötzis Einschätzung als Weltsingularität gefährdet, muss für dadurch entgehende Einnahmen Regress leisten und kann von der Forschung ausgeschlossen werden. (Heim 1993, S. 104 f).“ Weltsingularität.
Die Labore, die C14-Untersuchungen anstellen, sind nicht nur unfähig sondern auch unehrlich. Sie brauchen Vorgaben und sprechen sich ab. Illig schließt: „Unterm Strich verstärkt sich massiv der Eindruck: C14-Werte sind keine Absolutwerte, sondern Interessen unterworfene ‚Manövriermasse‘. ... Das öfteren beflügelt die Labore der Wunsch nach einer Antiquität (wie Illig schon 2005 feststellte), manchmal sogar bis hin zum Betrug,“ wofür als aktuelles Beispiel Protschs Institut in Frankfurt angeführt wird sowie eine Liste in diesem Heft in Sachen Karolingern, die aufschlußreich ist.

Nachdem Andreas Otte uns schon 2012 und 2013 mit ausführlichen Berichten über das Elektrische Universum bzw. die in Arizona/USA stattgefundenen Konferenzen vertraut gemacht hat, ist die Kürze des diesjährigen Berichts überraschend (S. 502-3), aber durchaus begründet. Hauptthema war das Klima-Problem, ansonsten gab es Wiederholungen der bekannten Thesen und einen sexistischen Flop. Einige Ergebnisse der SAFIRE-Forschung sind überraschend, werden aber noch zurückgehalten, da sie der Geheimhaltung unterliegen. Allgemein hat sich diese Gruppe pionierhafter Forscher schon zum Mainstream-Verhalten hin entwickelt, ohne alternative Ergebnisse noch wahrzunehmen. „Schade!“ sagt Otte, teilt aber den Termin für das nächste Treffen in Phoenix mit: 25.-29.Juni 2015, bei voraussichtlich >40° C. Ob das Experimente in Sachen Sonne fördern wird?

Bei den Nekrologen sind außer dem in diesem Kreis wohlbekannten Alfred de Grazia, der 94 Jahre erreichte (gest. 13.7.14), die lorbeergeschmückten Namen Karlheinz Deschner (8.4.2014) und Hermann Schreiber (4.5.2014) zu nennen, wobei ich zugeben muß, daß ich bei letzterem erstaunt ausrief: „Was, der lebte noch?“ Er wurde ebenfalls 94.

Zeitensprünge 1/2014


Es ist immer eine Freude, wenn Heribert Illigs Heft herauskommt. In letzter Zeit waren allerdings fast nur noch lesenswerte Beiträge vom Herausgeber selbst darin, der Rest nur Füller, zum Teil sogar störend, da sie die Thesen Illigs nicht beachten.

Das ist auch diesmal nicht anders, was mir für Illig leid tut. Sein großes Heft schläft ein.

Als erstes interessierte mich der Artikel von Zsolt Németh „Bischof Gregor von Tours über die Gestirnsbewegungen“, weil das zu meinem direkten Arbeitsgebiet gehört. Als Neuling in dieser Zeitschrift hat sich Németh von Illig helfen lassen, wo es um die Zitate von Illigs Schriften geht sowie auch bei der Übersetzung (letzteres S. 124 ausdrücklich). Illigs Ungarisch ist jedoch ungenügend. Wie mir Németh auf Anfrage mitteilte, seien zwei der offensichtlichen Fehler, die ich ankreidete, „Übersetzungsfehler“, was jedoch nicht stimmen kann, denn es handelt sich um logische Fehler: zweimal (S. 128 und S. 130) muß es statt „temporal“ richtiger „äquinoktial“ heißen, und da beide Aussagen grundlegend in dieser Beweisführung sind, hat hier jemand – nicht der Autor – etwas durcheinandergebracht. Das ist schade, denn der Artikel ist beachtlich, vor allem die Kernaussage: In Bischof Gregors Abhandlung über den Sternenlauf kommen „Angaben vor, die man beim besten Willen nicht als Ergebnis ‚ungenauer Beobachtung‘ abtun kann, da es sich bei diesen um beabsichtigt falsche Daten handelt. Ziel der Veröffentlichung dieser offensichtlich falschen grafischen und numerischen Daten ... ist wahrscheinlich die Verhinderung dessen, dass Jahrhunderte später Astronomen die Epoche und die geografische Breite der (angeblichen) Beobachtungen feststellen können.“ (S. 131) Es liegt also „beabsichtigte Irreführung“ vor – eine Erkenntnis, die seit Kammeier häufig gemacht wurde und als Einzelnachweis in unsere Forschung paßt.

Damit hat Németh zwar klargestellt, daß Gregors Schrift nicht aus dem 6. Jahrhundert stammen kann, – aber daß ihre Erstellung erst ein Jahrtausend später Sinn macht, ging ihm nicht auf. Meine diesbezügliche Anfrage beantwortete er vage, daß er dies für möglich halte.

Dann ist da ein Artikel von einem Wärme-Ingenieur Jürgen von Strauwitz aus Dresden, noch einem „Neuen“ in diesem Kreise, der aber besser bei seiner Technik geblieben wäre, denn diese Aufrechnung biblischer Mannschaftsstärken – 600.000 Männer beim Auszug Israels aus Ägypten sind undenkbar – bringen nun wirklich keine neue Erkenntnis mehr, sie sind, wie er selbst sagt, schon 50 bis 100 Jahre alt. Wenn nicht mehr!

Illig hat wie schon oft gleich seinen eigenen Senf dazugegeben, was immer erfreulich ist. In diesem Falle hätte das sogar gereicht, ohne Strauwitz‘ 21 seitigen Aufsatz als Vorgabe. Die Abrechnung mit Werner Keller war überfällig und ist geistreich, wie meistens aus Illigs Feder. Dabei wird der „etwas naive“ Ton von Keller durch dessen nachgetragene Biographie aufgebessert. Keller war nämlich nicht nur bei Speer im Rüstungsministerium beschäftigt, sondern hat dort auch gleich noch „viele Juden gerettet, eine Widerstandsgruppe gegründet und ein Attentat auf Hitler vorbereitet“, wobei er dem Strang „nur mit viel Glück“ entkam. Donnerwetter, das wußten wir gar nicht, wo uns doch die Helden schon in der Schule aufgelistet wurden und Kellers millionenfach gedrucktes und noch viel mehr gelesenes Buch zur Bibelverteidigung schon 1955 erschienen war. Als Quelle gibt Illig eine „wiki“ an und sagt, daß diese Geschichte „vielleicht erst seit 2012 bekannt“ sei. Eine großartige Enthüllung!

Aber warum ich diesen Artikel überhaupt erwähne: Hier erfährt man von Illig selbst wieder einmal etwas über seine Art, seine Mitarbeiter zu vergraulen, indem er den Artikeln von Mitarbeitern Vorgaben macht und Ergänzungen einbaut. Er tat dies auch bei Strauwitz, wie er sagt. „Diese Information wollte er (Strauwitz) aber nicht einfach übernehmen, sondern verwies auf einen Nachtrag von mir.“ (S. 181, bald nach Anfang des Nachtrags). Ja, da hatte Strauwitz eigentlich recht, und Illig scheint sauer, daß seine herausgeberische Tätigkeit nicht gewürdigt wird. Das mag auch anderen so gegangen zu sein, was das Heft nun so „leer“ macht.

Günter Lülings schön geschriebener Aufsatz „Urraum und Kleidung“ ist in den „Zeitensprüngen“ leider fehl am Platz, er gehört in ganz andersartige Zeitschriften und fand hier wohl nur Aufnahme, weil jemand darum gebeten hatte (vielleicht unter Hinweis auf Lülings nahes Ende der Tage), und weil eben Füller nötig sind. Dank sei den beiden in jedem Fall!

Wäre noch das große Lob zu verteilen an Andreas Otte, der als einziger Gefolgsmann von hohem Niveau geblieben ist. Seine drei Beiträge hier sind höchst lesenswert und machen (zusätzlich zu Illigs Arbeiten) das Heft wertvoll. Hervorzuheben sein Bericht von der Ausstellung in Paderborn: Credo. Allerdings scheint mir sein Vergleich (S. 158 f) der Phantomzeiten in Europa, England und Irland unbrauchbar, er zeigt, wie eng Illigs System ist und nicht die Wurzel packt.

Ottes Artikel über die neuen Saurierfunde in China bezieht Heinsohns ältere Überlegungen mit ein und stellt zu Recht fest: „Hier geht es an die Fundamente“ der Chronologie.

Schließlich sein Nachruf auf Halton ‚Chip‘ Arp, aufrechter Astrophysiker in den USA.

Wie immer in letzter Zeit ist zu rügen, daß der Herausgeber sich mehr Mühe beim Korrekturlesen geben sollte. Mit Spannung erwartet man das nächste Heft.

5.7.14

 

Zeitensprünge 3/2013

 

Das letzte Heft des Jahres 2013 trägt ein buntes Titelfoto einer geheimnisvollen Mauer in Chachapoya (Peru), deren schräges falsches Gewölbe mit dem Mauereingang in Ras-Schamra (Syrien) dermaßen Ähnlichkeit hat, daß sich der Gedanke an einen direkten Kulturzusammenhang zwischen Alter und Neuer Welt vordrängt und damit auf den Artikel von Andreas Otte neugierig macht, der ein neues Buch bespricht zum Thema Kulturtransfer in der Frühgeschichte.

Im meiner Kurzbesprechung des Heftes gehe ich nicht der Reihe nach vor sondern folge der Wichtigkeit der Artikel:

Heribert Illig, „Satan oder Lucifer“ (S. 539-561)

„Nach 35 Jahren der Beschäftigung mit Chronologie“ in der Nachfolge von Velikovsky übt Illig nun erstmals harte Kritik an dem berühmten Vorbild mit großer Jüngerschaft und verurteilt so manches, was man bisher noch durchgehen ließ. Er folgt damit seinem ehemaligen Mitarbeiter Gunnar Heinsohn, der schon vor einigen Jahren darauf hinwies, daß ihm Velikovsky bereits zu Anfang nicht geheuer schien. Eigentlich ist nur der Gründer der ganzen Gruppe, Christoph Marx, dem einstigen Lehrer treu geblieben, und das gegen härteste Kritik (auch von meiner Seite). Die Abkehr scheint nötig, weil die Wissenschaftlichkeit auf dem Spiel steht.

Illigs Argumente sind entsprechend astronomischer Art, aber dennoch auch zuweilen unüberlegt: ein unvergleichlicher Aufstieg, „wie ihn ein der Ekliptik folgender Planet nicht machen könnte“ – oh doch! im tiefen Süden (Babylon oder Palästina, von dort ist die Rede) steht die Ekliptik fast senkrecht auf dem Horizont. Ansonsten sind viele Argumente Illigs stichhaltig, denn Velikovsky hatte kaum Ahnung von Astronomie. Das betrifft grundsätzlich Begriffe wie Komet oder Gravitationskräfte, denn Venus kann nicht aus Jupiter herausgeschleudert werden und dann als Komet durchs Planetensystem rasen. Illig wundert sich, „wie leicht derartige Aussagen von uns allen überlesen werden konnten.“ Damit wähnt er sich noch immer im Kreise seiner vielen Freunde und Mitarbeiter, der aber längst in alle Winde zerstreut ist. Und alle hatten es gewiß nicht überlesen (siehe Heinsohn).

Schläge verteilt er besonders gegen die unverbesserlichen Velikovsky-Anhänger in den USA, wie Ginenthal und Cochrane, und an die englische Gruppe SIS. Dabei wird auch Chr. Marx abgekanzelt. Man möchte gern zustimmen, hat aber das schale Gefühl, daß diese Kehrtwendung sehr spät und sehr unbeholfen daherkommt.

Heribert Illig, „Die Entdeckung Amerikas zwischen Legenden und Fakten“ (S. 583-598)

Die gerade erschienene Doktorarbeit von Dominique Görlitz – Gegenstand einer Besprechung durch Andreas Otte (S. 599-611) – nimmt Illig zum Anlaß, eine Aufstellung aller wichtigen Bücher zum Thema des Diffusionismus zu bringen, wobei auch weniger wichtige vorkommen, eins aber ostentativ ausgelassen ist: Uwe Topper, Das Erbe der Giganten (1977), das nicht nur 40.000 mal verkauft wurde, sondern auch von Illig selbst mehrfach zitiert wurde in seinem ersten Buch zum Thema. Es war ja auch schließlich der Anknüpfungspunkt für uns beide und Beginn unserer gemeinsamen fünf Jahre. Indem er dieses Buch nun speziell übergeht, zeigt Illig, daß er den Artikel absichtlich so aufgebaut hat, um diesen Schlag auszuführen.

In einem anderen Artikel von ihm komme ich aber doch vor, gleich zweimal (S. 677 und 681): In seiner Rezension von H.-E. Korths Buch „Der größte Irrtum der Weltgeschichte“, das wohlwollend abgelehnt wird, fühlt sich Illig „erinnert an Uwe Toppers einstige Bemühungen, mir die Idee der erfundenen Jahrhunderte zu entwinden und sie Oswald Spengler oder Ignacio Olagüe zuzuschreiben (Niemitz), was nicht gelungen ist.“ Zwar kann ich nicht behaupten, dergleichen je versucht zu haben, aber Niemitz soll es behauptet haben, steht da. Im Literaturnachweis steht bei „Niemitz, Hans-Ulrich (1998-2000): Mündliche Mitteilung an den Verfasser.“ Es müßten also zwei mündliche Mitteilungen von Niemitz an Illig sein in den beiden genannten Jahren. Ich kann mir zwar nicht denken, daß mein Freund Niemitz dergleichen je behauptet hat, aber selbst wenn: er ist seit einigen Jahren tot, da kann man ihm alles in den Mund legen. Ein Literaturnachweis ist das jedenfalls nicht.

Im selben Aufsatz komme ich noch einmal vor, wiederum ohne meine Schuld, denn Korth, dessen Buch hier besprochen wird, hat Niemitz und mich mit „hoher Wertschätzung“ zu Gründungsmitgliedern der GRMNG (dem ersten Verein von Christoph Marx, aus dem die neue Chronologiekritikgemeinde hervorging) gemacht, was natürlich nicht stimmt, da „Topper gerade erst 1993 zu der Gruppierung gestoßen ist, fünf Jahre nach Auflösung dieses Vereins.“ Das ist allgemein bekannt; wann ist Niemitz eigentlich dazugestoßen?

Bliebe zu bemängeln, was ich schon zum vorigen Heft sagte, wo es wegen Zeitknappheit vielleicht verzeihlich gewesen wäre: Ein Nachruf auf den am 1. Juli 2013 gestorbenen Franz Siepe, der eifriger Mitarbeiter an den Zeitensprüngen und im Verlag von Illig war, gehört eigentlich zum Anstand. Kein Wort. Im vorigen Heft hatte Illig dem einstigen Mitarbeiter Siepe, von dem immer noch ein Buch in Illigs Verlag angeboten wird, nur in der Überschrift eine Widmung verpaßt, die aber leider keinen Bezug zum Inhalt des Artikels hatte, auch keine Nennung im Literaturverzeichnis.

Es sind wieder – wie in den letzten Heften – zahlreiche Artikel von geringem Allgemeininteresse abgedruckt, sie füllen die Sollstärke. Da schreibt gleich am Anfang (S. 519-522) ein J. v. Strauwitz (Jahrgang 1934), der selbst bekundet, nur Leser zu sein, einen weihrauchschwangeren senilen Rückblick, der an den ebenso peinlichen von Robert Zuberbühler im vorigen Heft anknüpft, wo der Namen gedacht wird, die seit 2008 in die ewigen Gefilde hinüberwechselten. Es sind sieben, mehr oder weniger beliebt, und es werden nun bald mehr, denn die Gruppe hat das Alter erreicht, wo man zumindest weniger schreibt, es auch besser bleiben läßt, wenn man seinen guten Ruf nicht schädigen will. Ob wirklich „keiner der Geschichtskritiker je behauptet hatte, dass eine weltweite ‚Fälschungsaktion‘ die gesamte tradierte Geschichte mutwillig durcheinandergebracht hätte,“ ist zu bezweifeln. Ich selbst hatte keinen leichten Stand, als ich (1998) die Geschichtsschöpfung – besonders der Jesuiten in China – als geniale Leistung hinstellte und damit die Verurteilung, die E. Johnson und W. Kammeier diesen Lügnern aussprachen, abmilderte. Christoph Marx hatte sogar mit Anzeigen wegen Falschdarstellung der Geschichte (parallel zu Geldfälschung) gedroht.

Günter Lüling bietet uns wieder einen Einblick in sein Alterswerk, das noch nicht abgeschlossen ist: „Neue Perspektiven für ein neues historisches Geschichtsbild für die in ‚Palästina‘ seit –1150 nach einem Neuanfang suchenden Völkerschaften.“ (S. 523-538).

Der lange Titel zeigt schon die Schwäche: ein Jahr „minus 1150“ gibt es im Kreis der Chronologiekritiker nicht mehr, zumindest nicht in dieser absoluten Gläubigkeit. Wer die alte Chronologie weiterbenützt, ohne diese in Frage zu stellen, paßt nicht hierher. So sehr wir alle Lülings islamkritische Schriften verehrt haben, so wenig läßt sich mit diesem antiquierten Aufsatz etwas gewinnen. Schade.

Von den gut ein Dutzend Beiträgen Illigs sei nur noch ein besonders spannender erwähnt: „Industrielle Revolution im Mittelalter. Mühlen, Hämmer und Kanäle“ (S. 682-700). Die gewohnte und vom Leser oft schon als selbstverständlich hingenommene detailreiche Untersuchung der Technikgeschichte durch Illig verdient immer aufs Neue Bewunderung, wenn auch letztlich häufiger Rückgriffe auf „wiki“ erfolgen, die – wie Illig selbst weiß und hin und wieder moniert – keineswegs Vertrauen verdienen. Nur ein Rückgriff auf die in den „wiki“-Artikeln genannten Quellen könnte den Kritiker befriedigen.

Wegen anderer Vorhaben mußte die Besprechung ein Entwurf bleiben.

Berlin, Januar 2014

 

Zeitensprünge 2/2013

 

Das neue Heft lohnt leider keine ausführliche Besprechung, wie ich sie beim vorigen noch verfaßt hatte. Es ist gewissermaßen „leer“, was mir für Heribert Illig besonders leid tut, denn seine großen Mühen verlaufen nun allmählich im Sande. Nachdem er wieder einige Mitarbeiter verloren hat, muß er das Heft fast allein bestreiten. Die ursprüngliche Vielfalt der ZS leidet darunter.

Das wichtigste ist wohl: Franz Siepe ist am 1. 7. gestorben, was ich sehr bedauere, ich hatte ihn des öfteren als eine der besten Stützen der Phantomzeit-These zitiert, vor allem seinen mit seiner Frau Ursula Siepe verfaßten Artikel in Zeitensprünge 1998 (S. 305-319): „Wußte Ghiberti von der >Phantomzeit<?“ – von mir zitiert in Kalendersprung (2006, S. 370). Eigenartig finde ich, daß Illig diese so bedeutende Nachricht vom Ableben Siepes fast nur indirekt bringt, auf S. 353, als Widmung für einen seiner Artikel, in dem er aber weder Bezug nimmt auf Siepes Arbeit noch ihn überhaupt erwähnt oder zitiert. Es fehlt der Zusammenhang zwischen der Widmung und der Schwere des Verlustes. Da zwischen dem Todestag und dem Erscheinen des Heftes ein ganzer Monat liegt, kann ich mir das nicht erklären. Ob sich die beiden auch gestritten haben, wie das bei Illig leider immer wieder mal der Fall ist?

Renate Laszlo, seine in den letzten beiden Jahren seitenstärkste Mitarbeiterin, die auch in diesem Heft mit 30 Seiten vertreten ist, hat er nun auf gerade mal zwei Seiten (413-14) abgekanzelt. Schon vor zwei Jahren, in Heft 2/2011 (S. 339-354), hatte Illig minutiös mit den nicht zu seinen Arbeitsergebnissen passenden Hypothesen von Laszlo abgerechnet, weshalb es unerklärlich ist, warum er ihr immer noch so breiten Raum in den nächsten Heften und selbst in diesem hier überflüssige 30 Seiten eingeräumt hat. Seltsam ist auch, daß Illig sich nicht schon früher von ihr distanziert hat, nachdem Andreas Otte bereits in Heft 1/2011 (S. 123) seine Kritik aussprach.

Es fehlt offensichtlich an Texten. Wenn nicht Andreas Otte so fleißig immer noch mitarbeiten würde, wäre das Heft diesmal verloren, denn Zuberbühlers fragmentarische Autobiographie hat schon greisenhaften Charakter, und der Aufsatz von Hans Bangerter „Was tut man eigentlich, wenn man glaubt?“ (S. 469) hat sich wohl nur in dieses Heft verirrt, weil die Seiten gefüllt werden müssen. Auch der Artikel von Günther scheint mir überflüssig, wobei der Autor viel aus wikipedia zitiert, und ich nicht sicher bin, ob er die dortigen Artikel nicht selbst produziert hat, nach der neueren Art der Beweisführung: Erst in wiki die Ergebnisse platzieren, dann dieselben (die dort ja meist anonym erscheinen) als Untermauerung heranziehen.

Andreas Ottes Besprechung von Hattemers Buch (S. 415-425) ist viel zu nachsichtig, das Buch selbst ist unverdaulich für wissenschaftlich arbeitende Menschen (wie Otte es immer war). In eigener Sache weise ich darauf hin, daß ich in dieser Besprechung zweimal erwähnt werde, zunächst S. 415: „Topper führt Zellers Beitrag in seinem Literaturverzeichnis, erwähnt jedoch mit keinem Wort dessen Verneinung einer vollständigen Verschiebung der Entstehung des Islam um 297 Jahre (bei Zeller noch 296 Jahre). Im Gegenteil – er führt Zellers Arbeiten sogar als Argument für die Möglichkeit dieser Verschiebung an.“ Es fehlt der genaue Hinweis; in seinem Literaturverzeichnis hat er mein Buch von 1999 aufgezählt, wo ich von Manfred Zeller im Literaturverzeichnis vier Artikel aus den „Zeitensprüngen (VFG)“ aufliste; laut Register nenne ich Zeller viermal im Text, wovon S. 108 und S. 129 in engere Wahl für Ottes Bemerkung kommen. S. 108 geht es um die Illigsche Verschiebung des Zeitstrahls, die Spengler und Altheim in ihren richtig gefühlten Ergebnissen freiere Hand gegeben hätte, wenn sie sie damals schon erkannt hätten „(s.a. Manfred Zeller 3/94)“, das heißt: siehe auch Zeller in seinem Aufsatz „Zentralasien im frühen Mittellater“ (demnach nicht der Artikel Zellers von 1993, den Otte meint, wo das Omajjaden-Chalifat aufgespalten wird). Dort teilt Zeller die Phantomzeit in mehrere Blöcke auf (speziell S. 81), und zwar geographisch unterschiedlich, insgesamt noch immer 296 Jahre umfasssend. Dieser Versuch bringt zwar Illigs These durcheinander, behält aber den Gedanken bei, daß im Mittelalter – auch im Orient und Zentralasien – rund 300 Jahre zu streichen wären, was meine Aussage, Spengler und Altheim hätten das begrüßt, wenn es ihnen gezeigt worden wäre, durchaus unterstützt. Daß ich hier Zeller nicht als Gegenbeweis gegen Illig ausnütze, liegt an der großen Linie meines Buches von 1999, zuerst einmal zu zeigen, daß Illigs Idee eine „bahnbrechende Erkenntnis“ (S. 108) ist und unter anderem auch von Zeller prinzipiell gefördert wird. Auf die Details von Zellers Änderung gehe ich nicht ein, weil das an dieser Stelle nicht nötig ist. Otte hätte also schreiben müssen, daß ich damals auf die Möglichkeit einer partiellen Verschiebung, wie sie Zeller schon 1994 vorschlug, noch nicht eingehe.

Ähnlich verhält es sich mit der anderen Nennung (S. 129): Hier erwähne ich, daß „die Zeitrekonstrukteure Angelika Müller und Manfred Zeller“ Lülings Gedanken weiter ergänzt haben im Sinne von Illigs Phantomzeitthese. Es sind keine genauen Angaben gemacht, wo die beiden diese Unterstützung Illigs veröffentlicht haben, es gilt also allgemein das Literaturverzeichnis, insgesamt 8 Aufsätze, und darin steht grundsätzlich die Vorbereitung und Weiterführung von Illigs neuer Idee: beide Autoren plädieren für eine Aufklärung der Zeitverhältnisse im Mittelalter. Ob dabei die Phantomzeit fragmentiert werden könne oder gar an andere Zeitpunkte zu verlegen sei, ist nicht der Punkt, auf den es bei der Weiterführung von Lülings Schriften ankommt.

Auf die zweite Erwähnung meines Namens in Ottes Besprechung hat mich Ulrich Voigt aufmerksam gemacht: S. 421-22 geht es um die Fortführung der Wochentage in der Phantomzeit. Durch einen Leserbrief in den „ZeitenSprüngen“ (3/1996) unterstützte ich Illig noch (wobei nur aus seinen 296 Jahren 297 wurden), weil tatsächlich dann auf Samstag, den 31.8. 614, ein Sonntag, der 1.9. 911, folgen müßte und damit die Woche als Sequenz erhalten blieb. Ich machte dabei allerdings zwei Einschränkungen, erstens: Ob die Reihenfolge 5-6-11-6 an dieser Stelle korrekt verlaufen sei oder nicht, „wäre erst noch zu ermitteln“, wobei Mathematikern wie Ulrich Voigt sicher klar war, daß es sich nicht so verhielt, was aber von keinem weiteren Mitdenker gezeigt wurde; und zweitens ob es in dem fraglichen Zeitraum oder davor „gut dokumentierte Osterfestdaten“ (oder Sonntage usw.) gebe; das wäre aufschlußreich, denn „mit reiner Mathematik läßt sich da nichts erreichen“.

Die Reihenfolge der genannten Wochentage an der Schnittstelle (Samstag-Sonntag) ist Tatsache, ebenso wie es bedauerlich ist, daß ich hierbei meine Einschränkung nicht weiter verfolgt habe. Niemand außer Ulrich Voigt hat das gemerkt, wofür ich ihm dankbar bin, weshalb ich nach erneuter Nachprüfung meinen Rechenfehler auch schließlich 2006 öffentlich machte (auf unserer website cronologo.net). Hierbei geht es nicht um einen kleinen Lapsus, sondern um ein Verständnis der Kalendermechanik. Darüberhinaus gibt es keine verläßlichen Dokumente jener Zeit, wie ich mit Inschriften der Goten aus Spanien nachwies, womit die echte Beweisführung (über die Mathematik hinaus) ebenfalls flachfällt (meine zweite Einschränkung).

Klar ist allerdings, daß seine (und meine ehemalige) Beweisführung hinsichtlich der Woche nichtig wird. Illig selbst hat diese Mechanik auch danach nicht durchschaut, was bedauerlich ist, denn wenn an solchen Kleinigkeiten, die mathematisch unwiderlegbar sind, das ganze Theoriegebäude zerbrechen sollte, wäre das tragisch. Ich habe das nicht so aufgefaßt, bin nur im Laufe der Jahre eigene Wege gegangen, bei denen die möglichen Zeiteinschübe weniger präzise formuliert werden, weil ich das beim gegenwärtigen Stand der Forschung für unvertretbar halte.

Bleibt also wenig übrig, außer den kritische Betrachtungen von Illig zur Streitlage, besonders S. 444 folgende, wo er ein wunderbares Bonmot von sich gibt (S. 447): „Nun hieße das doppeldeutige Motto: vor nine/eleven keine Geschichte.“ Herrlich!

So kann ich nur wünschen, daß es Illig gelingen möge, neue Mitarbeiter (und jüngere) zu gewinnen, damit sein Heft wieder die Vielfalt erreicht, die es einst hatte.


28.10.13

Zeitensprünge 1/2013


Hier meine Anmerkungen zum neuen Heft der ZS (1/2013) von Heribert Illig, das mich wie immer fasziniert. Ich schreibe meine Eindrücke von den Artikeln der Reihe nach, unvorsichtig kritisch, andererseits auch gefühlvoll.

Da sind zunächst die beiden Nachrufe, für Heribert Illig sicher ein Schlag, denn seine Mitarbeiter werden ja immer weniger. Gerhard Anwander war ja 13 Jahre lang mittätig; Dr. Detlef Suhr war neu, ihn mochte ich nicht, er salbaderte medizinische Spinnereien.

Dann Illigs Kurzbiographie von Rudolf Krohne, das ist der uns bekannte Schriftsteller Horken, (Ex nocte lux) – eine Besprechung von 21 Seiten, das will was heißen! Einerseits mutig, andererseits geschickt die gefährlichen Klippen umschiffend, hat Illig dem Mann ein sympathisches Denkmal geschaffen. Horken war auch einige Zeit Gräfelfinger, Grund zu lokalpatriotischem Mitgefühl. Abermals stellt Illig fest, daß wikipedia „Rufschädigung“ (S. 17) ausführt; das ist bekannt, es wird immer brisanter. Die Schädiger zahlen oft horrende Summen dafür, wie Illig an anderer Stelle ausführt (S. 97). Ganz ohne Ehrbeschneidung kommt aber auch Illig nicht aus: Die Neuauflage von Horkens Buch 1996 hält er für „nicht autentisch“ (S. 17 unten), er vermutet, daß der zweite Verleger, Grabert, über den Kopf des sterbenden oder gerade Gestorbenen Horken hinweg das Buch stark umgemodelt habe, was stellenweise nachweisbar ist, etwa bei der Einfügung von fünf Titeln von Spanuth im Literaturverzeichnis, die vorher nicht dort waren, denn Horken ließ Spanuths Ideen nicht gelten, er überging ihn rundweg. Gab es keinen Nachlaßverwalter für Horkens Buch?

Illig bezweifelt einerseits, daß Horken mit 97 Jahren sein Werk noch umschreiben konnte, (obgleich einige Zusätze und Verbesserungen seit mehr als 15 Jahren bereitlagen), lobt aber dann überschwenglich die Vitalität des alten Mannes (auf S. 25). Etwas unmotiviert bezieht Illig in Sachen Reichstagsbrandstiftung Stellung, indem er die Meinung vertritt, v.d. Lubbe wäre nicht Alleintäter gewesen, bezweifelt also die richterliche Entscheidung, was zwar möglich, aber in dieser Zeitschrift ungewöhnlich, ja unpassend ist und in dieser Kürze ohne weitere Begründung nicht sinnvoll. War es nötig, um den Aufsatz über Horken einigermaßen glimpflich drucken zu dürfen? Das würde viel über unsere Situation aussagen, wenig über Illigs Weltanschauung.


Es folgt Andreas Ottes Hinweis auf die deutsche Ausgabe von Vincis Odyssee-These, nötig und aufschlußreich, da die These mehrfach im ZS besprochen wurde. Wie die meisten Wissenschaftler stehe ich ablehnend zu Vincis These, was mir u.a. die Abkühlung einer wertvollen Freundschaft einer Kollegin und begeisterten ZS-Leserin eingetragen hat. Mein Urteil revidiere ich dennoch nicht.

Nun zum Artikel von Günter Lüling, der endlich wieder einmal einen Ausschnitt aus seiner augenblicklichen Arbeit über die Hebräer freigibt. Man ist dankbar für diesen „Vorabddruck“, sowohl dem Autor als auch dem Herausgeber. Andererseits zeigt dieser Text, wie sehr Lüling den Anschluß an die neuere Forschung verloren hat, wie sehr er in alten Denkmustern steckenblieb, was auf so glühende Verehrer wie mich (und einige Freunde) peinlich wirkt. Wir haben stets lebhaften Anteil an der Arbeit des großen alten Vordenkers genommen und seine Texte auch auf unserer website gebracht, sogar übersetzt.

Mutig ist Lüling wie immer: „Nach der weitgehenden Entzauberung der Wahrheiten der Bibel als Unwahrheiten kann es zukünftig tatsächlich nur noch profan-historische Studien zwecks Erstellung eines zukunftsträchtigen neuen profanen Weltgeschichtsbildes geben, das die unwahren ‚Geschichtsbilder‘ der drei Monotheismen (Judentum, Christentum, Islam) ersetzt.“ (S. 38)

Das sollten sich alle modernen Geschichtskritiker hinter die Ohren schreiben!

Unkritisch geht Lüling allerdings mit anderen Romanen um, so etwa der Sage von Aeneas, die er ohne weitere Erklärungen in eine reale Geschichte „um –1200“ einreiht, nach wenigen Sätzen gleich nochmal „zu exakt der gleichen Zeit (ca. –1200)“ (beides S. 43), was nicht einmal in der traditionellen Geschichtsschreibung üblich ist; die Schriftsteller nach dem zeitlosen Homer haben Aeneas auch zur Zeit der Romgründung (so etwa Vergil) angesetzt, das wäre immerhin mehr als 400 Jahre später, keine Kleinigkeit. Ich will mit dieser Rüge nur zeigen, in welchem chronologischen Unsinn (um dessen Aufklärung sich Illig seit 30 Jahren bemüht) der alte Herr hier herumstolpert. Bedauerlich.

Lüling muß unsere Arbeit nicht anerkennen, aber was bedeutet seine Hebräerthese dann noch für uns, an der er seit mehr als einem Jahrzehnt so ausdauernd schreibt? Und wo bleibt Illigs Anmerkung, die er in solchen Fällen immer folgen läßt?

Lüling zitiert Gordon (S. 45), wobei mir unklar ist, ob der Einschub, Kaphtor sei Nordeuropa, von Gordon selbst stammt oder von Lüling. Ich vermute letzteres, denn „normalerweise“ ist Kaphtor Zypern. Der freie Umgang mit dem AT bringt keine sinnvolleren Aussagen dieses Romans, auch nicht mit größter Sprachgelehrsamkeit, am Ende wird daraus nur „ein andres Haus und anderswo“ (Eugen Roth).

Auch die Einbeziehung von Walter Stenders Thesen (S. 50 f) mutet antiquiert an, denn was der über Astrophysik fabuliert hat, ist heute schon wieder überholt, womit natürlich nicht gesagt ist, daß das heutige Wissen beständiger wäre. Nur: diese Überlegungen eignen sich nicht für ein streng wissenschaftliches Konzept, wie es Illig vormacht.

Der folgende Beitrag von Heribert Illig über die pharaonischen Amtsinsignien (dazu das bunte Titelbild) ist scharfsinnig und nützlich und kunst-ästhetisch. Hirtenstab und Dreschflegel – Hyksos und Bauern möchte man sagen – das sind die Zeichen der ägyptischen Herrscher. Sie sind gewiß sehr alt, denn der Schlitten zum Dreschen ist ja auch schon alt; übrigens werden die unverweslichen Flint-Stücke, die den Holzschlitten auf der Unterseite armieren, oft mit Klingen oder Pfeilspitzen verwechselt, sind aber heute noch auf türkischen Tennen zu finden. Dreschflegel wurden bei uns (und werden heute noch in Portugal) vielfach gebraucht, besonders für den Mais.

Volker Friedrich über die fränkische Herrscherliste aus arabischer Quelle – da ist wieder mal die Zeit stehen geblieben. Al-Masudis Text mutet ein bißchen so an wie die persische Frankengeschichte des Raschid, die ich vor fünfzehn Jahren durchleuchtet habe. Muß denn jeder Autor wieder bei Null anfangen? Gerade die ZS-Autoren dürften doch auf einen Fundus aufbauen, der Weitblick erlaubt.

Illigs „Kölner Geklüngel“ ist aktuell und wirft ein schlimmes Licht auf das moderne Wissenschaftsgeschäft: 750.000 Euro Steuergelder für einen Wikipedia-Eintrag (S. 97), das ist nicht zu fassen!

Armin Wirsching findet wieder eine Stelle in der Geschichtsschreibung, wo die Jahre vor 600 nahtlos an die nach 900 gefügt werden können, das Spiel ist nun schon bewährt und durchschaubar. Es bestätigt, was Illig einst so mühsam rekonstruiert hat. Der übergreifende Rahmen, den ich hier vermisse, die Auswertung der Arbeitsergebnisse, müßte unter dem Gesichtspunkt der Katastrophe erfolgen: Warum haben diese Chronisten ein so verzerrtes Geschichtsbild hergestellt, was bezweckten sie mit einem um 300 Jahre verlängerten Zeitstrahl? Das Jüngste Gericht schneller herbeizuführen, war Illigs Antwort gewesen. Oder ging es nicht viel eher darum, ein gerade stattgefundenes „Gericht“ zu vertuschen, eine Normalität zu suggerieren? Und ob wir mit eingeschobenen 300 Jahren auskommen bei einer Neuschreibung der Geschichte, ist durch die vielen Illig-Dissidenten immer stärker in Frage gestellt worden.

Der Flurname „Kuhtanz“ von Volker Heinitz – ein sorgfältig geschriebener Artikel zu einem erforschenswerten Thema. In Flurnamen sind heidnische Bräuche erhalten geblieben. Diese müssen nicht unbedingt sehr alt sein, in die Bronzezeit zurückreichen oder den „Slawen“ zugeteilt werden. Vorsichtig aber sicher sagt Heinitz in der „Schlussfolgerung“ (S. 139), daß ihm der slawische Ursprung dieser Namen und ihre Verunstaltung durch deutsche Siedler nicht mehr als zeitgemäße Betrachtungsweise erscheint. Das ist dem Wandel seit dem Untergang der DDR zuzuschreiben. Wie ideologisch begründet diese ganze Slawenthese war, ist ja auch in den ZS oft gezeigt worden, es darf nun endlich neu geforscht werden. Kuhtanz hat also wirklich etwas mit Kühen zu tun ... wie sinnvoll Heimatforschung sich entwickeln kann, wenn man vom Obrigkeitsdruck frei wird. Hoffen wir, daß dieser Frühling nicht zu kurz ausfällt.

Renate Laszlos wie immer sehr ordentlich verfaßte Untersuchungen altenglischer Texte übergehe ich (es sind insgesamt 42 Seiten), wie mancher andere Leser auch, wenngleich gerade ihr Rätselraten spannend und eigenwillig ist. Der Abstand zu Illigs These wird allerdings immer deutlicher.


Der Gemeinschaftsbeitrag von Illig und Kämmerer ist wertlos. Er baut auf Grundlagen auf, die längst in Frage gestellt sind oder gar aussortiert wurden, bringt also nicht voran, erkennen doch die Autoren selbst, daß die Basis zerstört ist: „wobei diese Einschätzung dadurch verfälscht wird, dass ihren wenigen Werken die Dramen der Hrotswith von Gandersheim zugerechnet werden, obwohl sie erst aus der Zeit um 1500 stammen (Tamerl).“ Topper hat doch schon 1998 gezeigt, daß die Arbeit von Aschbach, der vor 150 Jahren Hrotswith als Erfindung um 1500 bewies, nur eine beispielhafte Untersuchung ist, die alle anderen Schriften in denselben Entstehungszeitraum versetzt. Müssen wir denn bei jeder einzelnnen Handschrift neu beginnen? Reicht es nicht, exemplarisch zu zeigen, was hier vorgemacht wurde? Und hat Hochart vor einem Jahrhundert mit seiner Analyse des Tacitus nicht klargestellt, daß wir nicht alles neu untersuchen müssen? Dann sind doch jegliche statistischen Erhebungen in diesem Feld unsinnig.

Endlich äußert sich Illig wieder zum frühen Islam. Er hat sich nun auch dazu durchgerungen, die von mir bevorzugte Normalschreibung islamischer Orts- und Personennamen durchzuführen, und hält sich schon teilweise daran. Die von der „Inarah-Gruppe“ aufgetanen Datierungsprobleme sind allerdings heillos verwirrt: „Hier ist noch kein Gleichklang hergestellt.“ (S. 198).

Die Behauptung, daß die Islam-Interpretation dieser Gruppe um Ohlig „heiß umstritten“ bleibe, bezieht sich vermutlich nur auf eine wiki-Diskussion, und daß diese ausgedacht ist, müßte Illig wissen. Sie wird nämlich kaum wahrgenommen.

Die so wichtigen ZS-Beiträge von Z. A. Müller zum Thema werden leider mit keinem Wort erwähnt. Und obgleich er mehrfach meine Arbeit hätte einbeziehen können, verzichtet Illig darauf, das ist seine persönliche Schwäche. Stark wird er nur im letzten Abschnitt (anderthalb Seiten), denn da geht es um Architektur, und auf dem Gebiet ist er unschlagbar.


Johannes Glötzners „Reminiszenz“ zu Ratzinger ist scharf und notwendig. Der Zusatz (von Illig?) ist erfrischend. Das Ganze wäre mehr Text wert.


Andreas Otte, wohl der Intellektuellste der heutigen ZS-Autoren, bespricht oft Randthemen, das macht das Heft vielseitiger. Aber es fordert auch umfangreiches Wissen und die Bereitschaft, das Zentralthema zu verlassen; mancher hat zuviel zu lesen und überschlägt das dann.

Ähnlich auch Mathias Dumbs‘ Beitrag zum Reichtum der deutschen Sprache, der stände besser in einem Vereinsheft zum Schutz der Deutschen Sprache ... (aber Chargon schreibt man richtiger Jargon).

Norbert Giesingers Analyse der Sonnenfinsternis-Überlieferungen und die Anwendbarkeit von diesbezüglichen Rückberechnungen gehört zu unserem Zentralthema. Eine Kritik der Einzelpunkte unterlasse ich hier. Ans Herz lege ich jedem Leser den Absatz von S. 222 Mitte: „Ganz wesentlich für die Bewertung astronomischer Rückberechnungen ist: Die Funktion Delta-T wurde in jedem Fall aus historischen Finsternisberichten gewonnen. Sie ist nur stabil, wenn eine große Zahl von Finsternissen mit historischen Methoden, aber nicht mit astronomischen Rückrechnungen in die Chronologie eingeordnet wird.“ Damit ist klar ausgedrückt, daß auch die modernen Astronomen auf der Basis von historischen Vorgaben rechnen. Wenn diese Vorgaben nicht stimmen, „zum Beispiel bei Annahme einer Zeitlücke“ (S. 223), dann werden die Ergebnisse beträchtlich falsch; bei Annahme der Phantomzeit 297 Jahre schon um mehrere Grad.

Auf S. 226 noch einmal: „Bei einer beträchtlichen Chronologiekorrektur – z.B. um die 297 Jahre 614//911 muss es wegen der dann deutlich geänderten Delta-T Funktion (...) unweigerlich zu regionalen Verschiebungen (bis zu einigen 100 km) der Finsternisspuren kommen.“ Und wenn gar ein Jahrtausend ausfällt? Dann kommt das ganze Zirkelschlußkarussell zum Stillstand.

Und noch diesen Satz (S. 229 oben): „Die von Theon zur Datierung verwendete Ära Nabonassar ist anscheinend nach einem Keilschrifttext an eine rückgerechnete Mondfinsternis vom 09. 04. 731 BC angekoppelt worden. Wenn das stimmt, bringen alle mit Nabonassar datierten astronomischen Erscheinungen unweigerlich Zirkelschlüsse mit sich.“ Voilá, so ähnlich sagt Topper das seit einigen Jahren.

Der Konferenzbericht von Andreas Otte über das elektrische Universum ist wie immer spannend, man nimmt Teil an einer neuen Entwicklung in der Physik, die alle Aufmerksamkeit verdient, vorgetragen von einem Kenner der Materie. Mancher Leser wird leider überfordert sein.

Franks Rezension zweier Bücher ist nicht nennenswert.

Illig schreibt zum Problem der Atombombenerfindung an Hand des neuen Buches von Richard von Schirach, sehr informativ, an einigen Stellen etwas blauäugig. Oder doch nicht? Hatten die Amerikaner damals schon ein so weitreichendes Abhörnetz? Da „... geht es um die Nacht vom 6. zum 7. August 1945. Der amerikanische Geheimdienst hatte zuvor schon jahrelang alle deutschen Wissenschaftler beschattet, die in zwei verschiedenen Projekten die Kernspaltung ‚aktivieren‘ wollten.“

Und wenn schon denn schon: Es waren in Deutschland mindestens drei Projekte in Arbeit, soweit es die Uranmaschine betrifft. Aber „keiner wusste, dass die amerikanischen Kollegen und Konkurrenten das bereits 1942 erreicht hatten.“ Ich wußte das auch nicht, allgemein heißt es, daß die Amerikaner ihr Projekt 1942 gerade begannen. Dennoch, ein wichtiger Beitrag in diesem Heft.

Der zweite Teil ist sehr sympathisch, er bringt uns Friedell von einer anderen Seite und läßt erkennen, warum Illig ihn so verehrt.

Zu den Kurzmeldungen nur eine kleine Korrektur, die der Übersetzer verursacht haben könnte (S. 256 f): Wenn im spanischen Dokument 801 Era steht, dann trifft das nicht 833 (n.Chr.) sondern 763 n.Chr. (offiziell) oder St. Nimmerlein, denn die Urkunde ist ausgedacht.

Soweit so kurz. 29.6.2013

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